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Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht bei Zah­lun­gen durch gemein­nüt­zi­ge Träger

Bereits seit eini­gen Jah­ren hat die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung (wie auch die Künst­ler­so­zi­al­kas­se) ihre Prüf­tä­tig­kei­ten auch bei gemein­nüt­zi­gen, mild­tä­ti­gen und reli­giö­sen Kör­per­schaf­ten ver­stärkt. Bei vie­len Akteu­ren des Drit­ten Sek­tors ent­steht dadurch Unsi­cher­heit dar­über, in wel­chen Fäl­len und auf wel­che Art sie ihren Akti­ven Ent­gel­te und Auf­wands­ent­schä­di­gun­gen rechts­si­cher zukom­men las­sen kön­nen – ohne, dass im Nach­hin­ein Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge mit Zin­sen nach­ge­zahlt wer­den müs­sen, was — im Schlimms­ten Fall — sogar die Gemein­nüt­zig­keit gefährdet. 

Das deut­sche Recht kennt dafür drei ver­schie­de­ne Wege: 

  1. die gering­fü­gi­ge Tätig­keit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozi­al­ver­si­che­rungs­ge­setz­buch IV (SGB IV), oft bekannt als sog. „Mini­job“, für die ver­rin­ger­te Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge anfallen; 
  1. die sog. „Ehren­amts­pau­scha­le“ nach § 3 Nr. 26a Ein­kom­mens­steu­er­ge­setz (EStG) und 
  1. die „Übungs­lei­ter­pau­scha­le“ nach § 3 Nr. 26 EStG. 

Der Mini­job gilt immer als abhän­gi­ge Beschäf­ti­gung im Sin­ne des § 7 Abs. 1 SGB IV und wird im Rah­men eines, wenn auch sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­lich ver­güns­tig­ten, Arbeits­ver­hält­nis­ses aus­ge­übt. Dage­gen sind die Ehren­amts­pau­scha­le und die Übungs­lei­ter­pau­scha­le zunächst ein­fa­che Steu­er­frei­be­trä­ge, die sowohl für Ein­nah­men aus abhän­gi­gen Beschäf­ti­gun­gen wie auch aus selb­stän­di­ger Tätig­keit in Anspruch genom­men wer­den können. 

Wäh­rend die Ehren­amts­pau­scha­le grund­sätz­lich für alle ehren­amt­li­chen Tätig­kei­ten gezahlt wer­den kann, wenn eine schrift­li­che Ver­ein­ba­rung dar­über vor­liegt, sie in der Höhe ange­mes­sen ist und schrift­lich ver­si­chert wur­de, dass die Pau­scha­le für das Steu­er­jahr nicht bei einer ande­ren Orga­ni­sa­ti­on in Anspruch genom­men wird, kann die Übungs­lei­ter­pau­scha­le nur an Übungs­lei­ter, Aus­bil­der, Erzie­her, Betreu­er sowie für ver­gleich­ba­re neben­be­ruf­li­che päd­ago­gi­sche oder künst­le­ri­sche Tätig­kei­ten oder für die Pfle­ge alter, kran­ker Men­schen oder von Men­schen mit Behin­de­run­gen gezahlt wer­den (sie­he § 3 Nr. 16 EStG; im Ein­zel­fall kann die Zuord­nung zu die­sen Kate­go­rien anspruchs­voll sein, daher soll­te sie immer in Anleh­nung an bestehen­de Recht­spre­chung erfolgen). 

Über­stei­gen die Ein­nah­men aus einer sol­chen Tätig­keit die im Jahr 2021 erhöh­ten Frei­bei­trä­ge (aktu­ell 840 € pro Jahr für die Ehren­amts­pau­scha­le bzw. 3.000 € pro Jahr für die Übungs­lei­ter­pau­scha­le), müs­sen die über die­se Gren­zen hin­aus­ge­hen­den Ein­nah­men ver­steu­ert werden. 

Aller­dings besteht bei einer neben­be­ruf­li­chen Tätig­keit für eine gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on grund­sätz­lich eine sog. „Ver­mu­tungs­wir­kung“: blei­ben die Ein­nah­men im Rah­men der jewei­li­gen Frei­be­trä­ge, so wird unwi­der­leg­bar ver­mu­tet, dass die Ein­nah­men als steu­er­freie Auf­wands­ent­schä­di­gung anzu­se­hen sind. Nur wenn Ein­nah­men die Frei­be­trä­ge über­stei­gen wird nach den all­ge­mei­nen steu­er­recht­li­chen Regeln ermit­telt, ob sie als Ein­nah­men aus abhän­gi­ger oder selb­stän­di­ger Beschäf­ti­gung anzu­se­hen sind (Bun­des­fi­nanz­hof, Urteil vom 30.01.1986, IV R 247/84). 

Gefahr des „ein­heit­li­chen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses“: 

Eine ganz ande­re Situa­ti­on liegt vor, wenn auch eine haupt­be­ruf­li­che, abhän­gi­ge Tätig­keit für die­sel­be Orga­ni­sa­ti­on aus­ge­übt wird: dann wird ver­mu­tet, dass bei­de Tätig­kei­ten als ein­heit­li­ches Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis zu beur­tei­len sind, mit dem Ergeb­nis, dass für den Arbeit­ge­ber bei­de Tätig­kei­ten zusam­men sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig sind, die Ent­gel­te zusam­men­ge­rech­net wer­den und die Frei­be­trä­ge über­schrei­ten, und folg­lich auch für den Arbeit­neh­mer nicht als Ein­kom­men aus einer steu­er­frei­en Auf­wands­ent­schä­di­gung gem. § 3 Nr. 26 EStG aner­kannt wer­den (BFH (VI. Senat), Beschluss vom 11.12.2017, VI B 75/17). 

Wenn für die nur ver­meint­lich ehren­amt­li­che Tätig­keit kei­ne Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge abge­führt wur­den, müss­te der Ren­ten­ver­si­che­rung bei ihrer Prü­fung in einem sol­chen Fall nach­ge­wie­sen wer­den, dass kein ein­heit­li­ches Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis vor­lag. Das erfor­dert ers­tens, dass die ver­meint­lich ehren­amt­li­che Tätig­keit nicht abhän­gig, son­dern selb­stän­dig aus­ge­übt wur­de. Gem. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV bedeu­tet das, dass der Selb­stän­di­ge nicht wei­sungs­ge­bun­den und nicht in die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on des Arbeit­ge­bers ein­ge­glie­dert war (auch die­se Ein­ord­nung soll­te auf kei­nen Fall ohne einen Abgleich mit ein­schlä­gi­gen sozi­al­recht­li­chen Urtei­len vor­ge­nom­men werden). 

Zwei­tens darf zwi­schen Beschäf­ti­gung und selbst­stän­di­ger Tätig­keit kein ursäch­li­cher Zusam­men­hang bestehen. Dies wäre der Fall, wenn ver­gleich­ba­re Auf­wands­ent­schä­di­gun­gen auch an Per­so­nen gezahlt wur­den, die nicht beim sel­ben Arbeit­ge­ber beschäf­tigt waren, die frag­li­chen haupt­be­ruf­lich Beschäf­tig­ten gegen­über den übri­gen Per­so­nen kei­ne wesent­li­chen Vor­tei­le hat­ten, und zudem ins­ge­samt die Ent­schä­di­gun­gen sowohl der Höhe als auch nach Art der Tätig­keit die Kri­te­ri­en für eine frei­be­ruf­li­che ehren­amt­li­che Tätig­keit nach § 3 Nr. 26 EStG erfül­len (Bun­des­so­zi­al­ge­richt, Urteil vom 13.10.2021, B 12 R 1/11). 

Das Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren als ein­zig umfas­send rechts­si­che­re Lösung 

Ver­mie­den wer­den kann die­se Pro­ble­ma­tik letzt­lich nur durch die Durch­füh­rung eines sog. Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV durch die Clea­ring­stel­le der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung. Die­ses bestä­tigt mit ver­bind­li­cher Wir­kung, dass und wenn selb­stän­di­ge Tätig­keit vor­lag, mit der Fol­ge, dass der Auf­trag­ge­ber (in die­sem Fall die gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on) für die Zah­lun­gen kei­ne Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge abfüh­ren muss. Es muss vor Auf­nah­me der Tätig­keit durch­ge­führt wer­den (die Aus­nah­me­re­ge­lung des gem. § 7a Abs. 6 SGB IV ist für gemein­nüt­zi­ge Trä­ger nur dann inter­es­sant, wenn grund­sätz­lich die Bereit­schaft besteht, Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zu zahlen). 

Abwei­chend ist die steu­er­recht­li­che, oder bei Emp­fän­gern von Leis­tun­gen nach dem SGB II bei­hil­fe­recht­li­che, Behand­lung beim Emp­fän­ger zu betrach­ten: aller­dings gefähr­det die­se nicht den pri­vi­le­gier­ten Sta­tus als gemein­nüt­zi­ge und/oder mild­tä­ti­ge und/oder kirch­li­che Ein­rich­tung, son­dern beein­flusst nur die finan­zi­el­le Situa­ti­on der oder des Ein­zel­nen (s. dazu für Emp­fän­ger von Leis­tun­gen nach SGB II den erhöh­ten Absetz­be­trag für Ein­nah­men aus Tätig­kei­ten für gemein­nüt­zi­ge und mild­tä­ti­ge Orga­ni­sa­tio­nen, § 11 B Abs. 2 S. 2 SGB II; Emp­fän­ger von Arbeits­lo­sen­geld nach dem SGB III müs­sen dar­auf ach­ten, dass ihre Tätig­keit neben­be­ruf­lich bleibt, d. h. 15h pro Woche nicht über­steigt, um den Arbeits­lo­sen­geld­be­zug nicht zu gefährden).